von Inka Grabowsky, 18.07.2019
Virtuelles Archiv macht sich sichtbar
Während der „Sommerwoche“ vom 27. Juli bis 11. August arbeitet das Transitorische Museum Pfyn mit Künstlern und Kulturschaffenden aus Madeira, Uruguay und Katalonien zusammen.
„Diese Sommerwoche ist quasi das Finale unseres mehrjährigen Jubiläumsprogramms“, sagt Alex Meszmer, der beredte Teil des Künstler-Duos Meszmer/Müller, das das Museum und die digitale Dorfchronik „Zeitgarten“ in Pfyn betreibt. „Wir haben 2007 angefangen mit dem Transitorischen Museum, und dann in den Jahren 08 und 09 aufgebaut - erst die Ideen entwickelt, dann gefüllt und eröffnet. Also feiern wir das Museum noch bis Ende September.“ Die „Sommerwoche“ ist inzwischen in Pfyn eine feste Institution. Seit zehn Jahren – mit gelegentlichen Unterbrüchen – belebt sich das kleine Museum in der letzten Woche der Schulferien.
Mal kommen zu den Aktionen 300 und mal 500 Besucher in die Trotte, in der die Künstler drei Container voller Artefakte haben. „Für uns ist das eine Notwendigkeit! Ein Grossteil unserer Sammlung ist digital. Eine Festplatte mit 30 Terabyte ist nicht besonders sexy. Wir müssen regelmässig zeigen, was wir haben.“ Ausserdem brauchen Reto Müller und Alex Meszmer den persönlichen Kontakt zum Publikum. „Es ist grossartig, welche Reaktionen es gibt. Interviews generieren Folgeinterviews. Viele Senioren geniessen es, dass sich jemand für ihre Geschichte interessiert. Manchmal geht das bis nachts um Drei. Während der Sommerwoche sind wir zeitweilig das Zentrum des Austausches im Dorf.“ Der Austausch und die intensiv geförderte Teilhabe der Bevölkerung tragen Früchte: Mittlerweile sind im Zeitgarten 4000 Fotos online, die Pfyner zur Verfügung gestellt haben. Das ist arbeitsaufwändiger als man erwarten könnte: „Es braucht eine Kuration und jemanden, der das Material aufarbeitet. Digital allein funktioniert nicht.“
Wiedersehen mit der Gastkünstlerin
Um Museum und Zeitgarten angemessen zu feiern, haben sich Reto Müller und Alex Meszmer Kulturschaffende eingeladen, mit denen sie auf einer Wellenlänge liegen. So war Pau Delgado aus Uruguay im Februar „Artist in Residence“ in Pfyn. Jetzt zeigt sie eine Video-Installation ihres Blinden-Projekts. Sie ging – unter anderem auch während ihres Aufenthalts im Thurgau – der Frage nach: Was ist schön. „Sie hat im Halbdunkel Interviews mit Blinden geführt, die nun zusammengeschnitten als Loop zu sehen sein werden. Gesprochen wurde englisch, aber auch spanisch und französisch. In ihrer Heimatstadt Montevideo wird das Ergebnis zuerst vorgestellt, dann kommt es zu uns“, so Meszmer. Passend dazu soll es für sehbehinderte Besucher während der Sommerwoche eine Blindenführung geben. „Unsere Vitrinen in der Trotte sind dafür gut geeignet, weil man die Gegenstände auch herausnehmen und anfassen kann.“
Radio aus Pfyn
Einer Zufallsbekanntschaft ist die nächste Attraktion zu verdanken. Chris Csikszentmihalyi kommt mit seinem Radio-Projekt „RootIO“ von Madeira nach Pfyn. Der Amerikaner hat unter anderem im ländlichen Uganda begonnen, winzige Lokalradiostationen aufzubauen. Die Betreiber bekommen dafür einen sehr frugalen Bausatz, der aus einem Eimer, Solarpanelen und einer Antenne besteht. Ein Smartphone ist der eigentliche Sender. Dem Künstler und Technologie-Experten geht es - ebenso wie Meszmer und Müller - um Teilhabe. So wie im Transitorischen Museum und im Zeitgarten in Pfyn die Bevölkerung ihre eigenen Geschichte schreibt, so können bei RootIO die Menschen ihre eigenen Nachrichten verbreiten. „Chris stellt uns die Infrastruktur – also unter anderem die elf Meter hohe Antenne - für einen Radiosender zur Verfügung, und wir sorgen für die Inhalte zu unserem Thema ‚Geschichte und Geschichten von Pfyn‘. Im Archiv haben wir Tonspuren, die wir verwenden wollen. Reto macht dazu Interviews mit Pfynern als Podcast.“
Die Frequenz beim Bakom und die Genehmigung für das Aufstellen der Antenne sind beantragt, die Suisa weiss wegen der Musik Bescheid und der lokale Jugendtreff „Elch“ ist angefragt, ob er mit Jugendlichen Radiostücke vorbereiten möchte. „Prinzipiell kann jeder mitmachen“, so Meszmer. „Man muss nur die Beiträge zu uns bringen, wir speisen sie dann über das Smartphone ein.“ Neben dem Radioprojekt gibt es eine Ausstellung, die mit Infrarotkopfhörer das Hören von akustischen Zeitzeugnissen von DVD erlaubt: Für einmal arbeitet das Museum mehr über den Ton als über das Bild. Es gibt also nicht nur im Radio, sondern auch vor Ort etwas zu erleben.
Präsentation der Tandem-Partners
Den dritten Programmpunkt bildet das Projekt, das Meszmer und Müller im Rahmen von „Tandem Europe“ gemeinsam mit einem Partner aus Katalonien aufgleisen wollen. Die Organisation vernetzt seit acht Jahren Kulturschaffende in Europa und seinen Nachbarregionen miteinander. Sie wurde von der European Cultural Foundation und „MitOst e.V.“ in Berlin ins Leben gerufen. Die Pfyner haben sich mit dem Archäologen Juan José Esteban vom Can Castells Centre d`Art in Sant Boi de Llobregat in der Nähe von Barcelona zusammengetan. Er wird während der Sommerwoche vor Ort sein, um mit Meszmer und Müller weiter an der interaktiven Ausstellung „The Future Memory of our Things“ zu arbeiten. „Wir sind das erste Mal in dem Programm dabei“, erzählt Alex Meszmer nicht ohne Stolz. „Dieses Mal durften sich Teams aus allen Europarats-Mitgliedsstaaten bewerben. 400 haben sich angemeldet, 32 davon sind nun dabei und treffen sich regelmässig. Für uns ist das ein schönes Abenteuer – und wir bringen Pfyn damit auf die Weltkarte. Es reist ja immer mit, wenn wir reisen und unsere Projekte vorstellen.“
Termine: Sommerwoche des Transitorischen Museums in Pfyn vom 27. Juli bis 11. August rund um die Trotte.
Von Inka Grabowsky
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