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von Inka Grabowsky, 12.05.2023

Professionelle Leidenschaft

Professionelle Leidenschaft
Einig in ihrer Leidenschaft für Kunstsammlungen: Reto Müller, Karin Dammann, Markus Landert, Barbara Stark und Ueli Vogt (vlnr) | © Inka Grabowsky

Was bewegt Kunstsammler? Welchen Herausforderungen sehen sie sich gegenüber? Fragen rund um das Sammeln standen im Mittelpunkt eines Podiumsgesprächs im Kreuzlinger Museum Rosenegg. (Lesezeit: ca. 3 Minuten)

«Sammeln fängt da an, wo man mehr Bilder kauft, aus man hängen kann – und mehr, als das Budget eigentlich hergibt.» Mit einem Augenzwinkern trägt Karin Dammann die Definition vor. Sie hat gemeinsam mit ihren 2020 verstorbenen Mann Gerhard seit 1997 über tausend Werke der Art Brut oder Aussenseiterkunst zusammengetragen.

Sammeln sei die vornehmste Art der Kunstförderung, sagt dagegen der Direktor der Kunstmuseums Thurgau, Markus Landert: «Weil man dann nicht sagt: ‹Du armer Künstler, hier hast du etwas Geld als Unterstützung›, sondern seiner Arbeit einen grossen Wert beimisst.»

Das Kunstmuseum mit seinem Budget für Ankäufe in Höhe von 200 000 Franken pro Jahr kann mitunter bedeutende Werke erwerben. «Wir zahlen auch mal bis zu 25 000 Franken. Das bringt den Kunstschaffenden dann wirklich etwas.»

Die beiden Ko-Kuratoren vom Kunstraum Kreuzlingen waren auch Ko-Moderatoren: Reto Müller und Ueli Vogt.
Die Ko-Kuratoren vom Kunstraum Kreuzlingen waren Ko-Moderatoren: Reto Müller und Ueli Vogt. Bild: Inka Grabowsky

 

Mehr Sammeln würde gerne Barbara Stark von der städtischen Wessenberg-Galerie in Konstanz. Doch die Museumsleiterin hat keinen Ankauf-Etat, sondern sammelt Spenden und Beiträge von Sponsoren, um Lücken in ihrer Sammlung zu schliessen. Sie basiert auf dem Kunstinteresse von Ignaz Heinrich Freiherr von Wessenberg, der bis zu seinem Tod 1860 als Privatsammler den Grundstock für das Museum zusammentrug.

Schenkungen erweitern die Sammlung

Durch Schenkungen und Nachlässe wächst die Konstanzer Sammlung trotzdem. Es gäbe immer wieder Erben, die mit Kunstwerken ihrer Vorfahren nichts anfangen könnten, und sie deshalb dem Museum gegen eine Sachspendenbescheinigung für die Steuererklärung zur Verfügung stellten, so Stark. «Bei vielen Angeboten muss ich eine Auswahl treffen. Insbesondere bei Nachlässen denke ich oft, Künstler sollten mehr an die armen Erben denken, aufräumen und auch mal etwas wegschmeissen.»

Ausserdem stellen einige Erben Ansprüche. «Nachlässe werden uns im Ganzen angeboten, mit der Auflage, die Sammlung nicht zu zerschlagen und die Kunst öffentlich auszustellen, am liebsten noch als Dauerleihgabe», beklagt sich Markus Landert. Auf diese Weise blieben die Kosten bei den Museen.

Aus einem Sammelsurium wurde eine Sammlung, die Karin Dammann mit Leidenschaft pflegt.
Aus einem Sammelsurium wurde eine Sammlung, die Karin Dammann mit Leidenschaft pflegt. Bild: Inka Grabowsky

 

Die Wertsteigerung, die durch die öffentliche Aufmerksamkeit entstünde, käme aber den Besitzern zugute. Landert muss allerdings einräumen, dass das Kunstmuseum sich diesem Phänomen selbst schon bedient hat. «Wir verwalten den Nachlass von Hans Krüsi, und der Vorbehalt, nichts davon zu verkaufen, wurde aufgehoben. Wir haben ein Werk der Lausanner Collection de l’Art Brut geschenkt, um die Bedeutung von Krüsi zu befördern.»

David Bowie förderte Aussenseiter

Künstler, die in diese Sammlung aufgenommen werden, bekommen quasi ein Gütesiegel. «So etwas ist auch merkbar, wenn ein Prominenter ein Werk kauft», erzählt Karin Dammann. «David Bowie hat Mitte der Neunziger Aussenseiterkunst gekauft und anschliessend das Album ‹Outside› herausgebracht – die Preise für die Werke schossen daraufhin in die Höhe.» Der Kunstmarkt ist offenkundig Moden unterworfen.

 «Wir haben uns gelegentlich gesagt ‹Zur Not verkaufen wir es wieder›, wenn ein Werk eigentlich zu teuer war. Aber im Endeffekt hängt man dann doch zu sehr an den Objekten.»

Markus Landert

Spannend ist, inwiefern gesammelte Kunst ihren Wert behält oder gar steigert. «Nicht alles, was ich vor dreissig Jahren angekauft habe, ist heute noch interessant», räumt Markus Landert ein. Allerdings muss er etwaige Verlust nie realisieren. «Museen gelten als Ewigkeits-Institutionen», sagt er und lacht. Die Privatsammlerin Dammann könnte sich selbstverständlich von ihrem Besitz trennen. «Wir haben uns gelegentlich gesagt ‹Zur Not verkaufen wir es wieder›, wenn ein Werk eigentlich zu teuer war. Aber im Endeffekt hängt man dann doch zu sehr an den Objekten.»

Beschränkung ist das Zauberwort

Was in eine Sammlung integriert wird, hängt davon ab, wer sammelt. Während für Karin Dammann einziges Auswahlkriterium ist «würde ich es aufhängen, wenn ich noch Platz an den Wänden hätte», müssen öffentliche Institutionen wie das Kunstmuseum oder die Wessenberg-Galerie genauen Massgaben folgen. Die Galerie hat sich auf südwestdeutsche Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts und die Kunst des Bodenseeraumes konzentriert.

«Bei Ankäufen versuche ich so neutral wie möglich zu sein, aber schliesslich brennt man doch für einen Künstler oder ein Werk.»

Barbara Stark

«Bei Ankäufen versuche ich so neutral wie möglich zu sein, aber schliesslich brennt man doch für einen Künstler oder ein Werk», meint Stark. «Sammeln geht nur mit Leidenschaft.» Das Kunstmuseum Thurgau sammelt logischerweise Kunst aus dem Kanton. «1939 wurde unsere Sammlung begründet», erklärt Markus Landert.

«Damals gab es den ersten Kunstkredit, und er steht in Zusammenhang mit der geistigen Landesverteidigung. Kunst sollte dazu dienen, sich der eigenen Identität zu versichern und sich im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen abzugrenzen.» Eine Kunstkommission hilft dem Museumsdirektor dabei, möglichst objektiv an Akquisitionen heranzugehen.

Verantwortung für das Sammelgut

«Outsider-Kunst haftet immer noch der Ruch an, zweitklassig zu sein», so Karin Dammann. «Sie ist aber faszinierend, weil sie den unbedingten Gestaltungswillen ihrer Schöpfer zeigt, die gegen alle Widerstände kreativ sind. Deshalb hüte ich die Werke und gebe mir Mühe, dass sie gezeigt werden.» Dammann organisiert Ausstellungen und gibt Leihgaben.

Zu dem Zweck muss sie die Sammlung genau dokumentieren. Sie fotografiert, digitalisiert, inventarisiert, besorgt säurefreie Passepartouts und Museumsglas – die Sammelleidenschaft geht ins Geld. Auch das ist ein Grund, weshalb sie nie Konvolute kauft.

Zwei Museumsleiter haben zu wenig Platz: Markus Landert und Barbara Stark
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Die Frage von Moderator Ueli Vogt, Ko-Kurator im Kunstraum Kreuzlingen, ob es nicht eine Lust an der Fülle gäbe, verneint sie. «Jedes einzelne Werk muss mich anspringen.» Markus Landert hingegen sieht sich der Forschung verpflichtet und interessiert sich für Zusammenstellungen diverser Werke eines Kunstschaffenden: «Manchmal merkt man erst später, was man für die Recherche braucht.»

Auch Barbara Stark sagt: «Eine Sammlung ist nur dann lebendig, wenn man die einzelnen Bestandteile immer wieder in neuem Kontext sieht. Und dafür braucht man einen ordentlichen Fundus.» Moderator Reto Müller – ebenfalls Kurator vom Kunstraum Kreuzlingen – zieht das Fazit: «Öffentliche Museen schaffen mit ihren Sammlungen an einem kollektiven Gedächtnis, und private Sammler frischen Gedächtnislücken auf.»

Sammlung Kreuzlinger Geschichten

David Bruder, der Leiter des Museums Rosenegg, outet sich im Rahmen des Gesprächs selbst als leidenschaftlicher Sammler. Er erinnert an das Experiment «Stadtlabor»: «Bringen Sie uns Objekte, die für Sie eine Kreuzlinger Geschichte erzählen», bittet er. Aus der so entstandenen Sammlung soll ab August eine Ausstellung gestaltet werden.

 

Die Ausstellung «Die Kunst der Stadt – 55 Jahre Kunstkommission» ist bis 13. August 2023 verlängert.

 

 

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