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von Judith Schuck, 12.05.2022

Ohne Freiwillige läuft nichts

Ohne Freiwillige läuft nichts
Ihre Arbeit ist unverzichtbar für die Kreuzlinger Museen (von links): Vreni Coradi, Benno Götti, Shi Shen, Marietta Dassmann, Joseph Stalder und Gerda Imesch arbeiten ehrenamtlich in den Kreuzlinger Museen. Ebenfalls auf dem Foto sind Christian Hunziker (Leiter Seemuseum) und Yvonne Istas (Leiterin Museum Rosenegg). | © Judith Schuck

Ehrenamtliches Engagement ist in vielen Museen unverzichtbar. Sieben Helfer:innen aus den drei Kreuzlinger Museen erzählen von ihrer Arbeit. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)

Tausende von Arbeitsstunden leisten ehrenamtliche Mitarbeiter:innen Jahr für Jahr für die Kultur. Im Rahmen des internationalen Museumstags am Sonntag, 15. Mai wollen die drei Kreuzlinger Museen die Aufmerksamkeit auf diese stillen und unentbehrlichen Helfer:innen lenken.

Das Motto «Power of Museums» möchte die Frage nach der Wirkkraft dieser Ausstellungsstätten auf die Gesellschaft stellen. «Unsere Power hier in Kreuzlingen ist definitiv das Ehrenamt», sagt Christian Hunziker, Leiter des Seemuseums.

Der Griff zum Werkzeug

Peter Adolf kam durch seinen Beruf als Schiffs- und Bootsbauer vor 50 Jahren nach Kreuzlingen. Der Gründer des Seemuseums, Hans- Ulrich Wepfer, hatte ihn noch während seiner Berufstätigkeit immer wieder ins Museum geholt, «um antike Schiffe wieder präsentierbar zu machen.» Auch heute noch greift er immer wieder zum Werkzeug.

Für die Ausstellung «Am Bach» mit Naturfotografien von Claudia Peyer, die am Sonntag ihre Finissage feiert, fertigte er beispielsweise die Sitzmöbel. Sein Hauptwirkungsfeld ist aber der Platz an der Kasse: «Ich schätze die Begegnungen und den Austausch mit den Leuten. Für sie ist der Besuch des Museums ein Erlebnis.»

Beim Kuchenverkauf packt sie der Ehrgeiz

Vreni Coradi stösst auch zur Runde, sie versorgte zuerst alle Anwesenden mit Kaffee und Wasser. Wenn sie Leute so sitzen sehe, könne sie gar nicht anders, als sie erstmal zu versorgen. Die Kreuzlingerin weiss noch genau, in welchem Jahr sie zur Crew des Seemusems stiess: «2014. Denn da bin ich in Pension gegangen.»

Im selben Jahr wurde das Café des Seemuseums eröffnet. «Eine ehemalige Freiwillige sagte mir, sie könnten noch Leute brauchen. Ich war gerade frisch pensioniert und das Verkaufen liegt mir im Blut.» Hinzu kam die wunderschöne Lage ihres künftigen Wirkungsorts. «Wir haben hier so dankbare Gäste. Sie schätzen vor allem unsere selbstgebackenen Kuchen.» Es kommt immer wieder mal vor, dass die Bäcker:innen nach dem Rezept gefragt werden. «Mich packt da schon auch der Ehrgeiz, möglichst viel Kuchen zu verkaufen.»

Teamarbeit ist wichtig

Benno Götti arbeitet seit drei Jahren im Team Seemuseum mit, wie Peter Adolf an der Kasse. Er ist mit unterschiedlichster Freiwilligenarbeit aufgewachsen. Von einem Kollegen sei er angesprochen worden, dass das Seemuseum noch helfende Hände brauchen könne. Da sei er kurzerhand ins Museum spaziert.

Nicht, um sich ein Billet zu kaufen, wie die Dame an der Kasse damals glaubte, sondern um seine Dienste anzubieten. «Es ist eine relativ einfache Arbeit, Schaffen kann man das nicht nennen. Wir sind ein Superteam», findet Benno Götti, und meistens würden sie noch mit Kaffee und Kuchen verwöhnt.

Viel Wissen selbständig eingeeignet

Gerda Imesch ist seit etwa sechs Jahren dabei. Damals suchte das Seemuseum Personal für Führungen. Sie habe die Anforderungen etwas niedriger eingeschätzt, arbeitete sich abr gut ein. «Ich lernte das Museum von Grund auf kennen.» Zudem assistiert sie Nina Kohler, die für die Sammlung zuständig ist, bei der Archivierung.

Lilian von Siebenthal ist erst seit kurzem mit dabei, findet aber, der Weg vom Thurtal, wo sie lebt, in den Seeburgpark, lohne sich. Dank guter Einarbeitung fühle sie sich schon heimisch. Ihr gefällt, dass sie mit der im Museum geleisteten Arbeit konfrontiert werde und aus einer Randposition den Wandel von Museen beobachten könne. «Durch meine Arbeit verliere ich nicht den Anschluss an eine neue Zeit.» Interaktion ist hier ein Stichwort, welche dank digitaler Techniken immer mehr Daseinsberechtigung in Museen hat.

Zur Not geht auch mal die Strichliste

Der Wandel birgt aber auch Schwierigkeiten. Tatsache ist nun mal, dass die meisten Ehrenamtlichen im Pensionsalter sind. Die Umstellung auf ein neues Kassensystem im Museum Rosenegg und in der Sternwarte/Planetarium habe schon einigen, weniger Technikaffinen, die Schweissperlen auf die Stirn getrieben. «Zur Not geht aber auch mal eine Strichliste, dann trage ich das später nach», sagt Yvonne Istas, Leiterin des Museums Rosenegg.

Pandemiebedingt sei ihr Team an Ehrenamtlichen geschrumpft. Die Coronapause in der Kultur hätten einige für sich genutzt, um auch ihrer Freiwilligenarbeit ein Ende zu setzen. «Wir haben aber tatsächlich Bedarf. Es gibt so viele Aufgaben, die noch erweitert werden könnten, wie Archivarbeit und Ausstellungsaufbau.» Die Gästebetreuung, die nicht nur den Kassendienst beinhalte, sieht sie als Visitenkarte des Hauses.

Kunst als Geschenk

Shi Shen, ursprünglich aus China, arbeitete 19 Jahre bei der Mowag in Kreuzlingen, wo sie die Datenbank betreute. Sie sei noch nicht in Pension, «denn Ehrenamt ist nicht nur etwas für Pensionierte.» Ihr mache die Arbeit im Rosenegg «wahnsinnig Spass», ich habe schon so viele Leute dort getroffen.»

Ihre Kollegin Marietta Dassmann kam über die Ernst Kreidolf-Ausstellung, die bis kürzlich im Rosenegg lief, zur Freiwilligenarbeit. «Vorher war ich 25 Jahre am Ekkharthof in der Schule tätig und besuchte mit meinen Klassen öfters das Museum Rosenegg.» Sie sieht Kunst und Museen als ein grosses Geschenk.

Die bange Hoffnung auf den Nachwuchs

In der Runde am längsten in seinem Ehrenamt ist Joseph Stalder vom Planetarium: «Ich bin 1988 über einen Lehrerfortbildungskurs in die Astronomie gerutscht. Ein Jahr später gab ich in der Sternwarte selbst Führungen.» 2002 kam für ihn mit der Eröffnung des Planetariums das Filmvorführen hinzu. Dazu müsse man schon eine gewisse Affinität zu Computern haben.

Im Grunde genommen seien die Shows wie ein grosses Computerspiel. «Lange war ich neben meinem 100-Prozent-Pensum als Lehrer im Ehrenamt. Seit meiner Pensionierung vor zehn Jahren kann ich auch tagsüber im Planetarium schaffen.» Er übernehme vor allem die Schulklassen. «Es gab Phasen, in denen wir sehr stark belastet waren mit über 150 Einsätzen pro Jahr.»

Debatte um Professionalisierung

Eine Diskussion über die Professionalisierung der Institution habe es auch schon gegeben. «Aber alle Kolleg:innen waren sich einig: Das wollen wir nicht. So können wir unser Feuer weitergeben. Bei einem Job besteht die Gefahr, dass es Routine wird.»

Besonders freut er sich, dass seit Kurzem ein 20-Jähriger im Team ist, denn das Gros des Teams bewegt sich zwischen 60 und 80 Jahren. «Von jungen Leuten wünsche ich mir einen ganzen Haufen, damit wir irgendwann mit gutem Gefühl abgeben können.»

Eine sinnstiftende Tätigkeit

Joseph Stalder schätzt an seinem 33-jährigen Freiwilligeneinsatz, dass es eine sinnvolle Tätigkeit ist, man relativ kompliziertes Wissen auf das Niveau der Besucher:innen herunterbrechen müsse und «die Erkenntnis, wie wichtig beziehungsweise unwichtig wir Menschen im Universum sind.»

Was das Universum der drei Kreuzlinger Museen betrifft, sind aber zumindest die ehrenamtlich tätigen Menschen sehr wohl wichtig. «Wir leben von dieser Unterstützung», sagt Yvonne Istas.

 

Internationaler Museumstag am 15. Mai

Auch am Museumstag sind die Freiwilligen wieder im Einsatz. Der Eintritt zu allen Museen ist frei. «Im Seemuseum haben wir längere Öffnungszeiten von 11 bis 17 Uhr», so Christian Hunziker.  Um 16 Uhr gibt es zur Finissage eine Führung mit der Fotografin. Das Rosenegg startet um 11 Uhr mit einer Matinée mit jungen Musiker:innen der PMS in den Tag. Ausserdem ist es der erste Tag der neuen Ausstellung «Gratuliere! 75 Jahre Stadt Kreuzlingen». Für diejenigen, die die Shows im Planetarium besuchen möchten, empfiehlt Joseph Stalder eine Reservation. Die Plätze könnten knapp werden.

 

 

 

 

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