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von Inka Grabowsky, 14.06.2019

Die Geschichte einer Aussenseiterin

Die Geschichte einer Aussenseiterin
Fernseh-Journalistin Madeleine Hirsiger und Filmerin Yvonne Escher sind gut befreundet. | © Inka Grabowsky

Unter dem Titel «Die Freiheit nehm ich mir. Aufzeichnungen einer selbstbestimmten Frau» veröffentlicht die Filmemacherin Yvonne Escher einen autobiographischen Roman. In ihrem Heimatort Steckborn hat sie sie ihn jetzt vorgestellt.

Fröhliches Gelächter dringt aus dem vollbesetzten Phönix Theater in Steckborn, als Yvonne Escher dort ihre Autobiographie vorstellt. «Sie alle wollen ihr die Ehre erweisen», hatte Gastgeber Phillippe Wacker zur Begrüssung gesagt und sich bei Escher persönlich dafür bedankt, dass sie 1979 den Grundstein für die Eröffnung des Phönix-Theater 1981 mitgelegt hat.  Hansrudolf Frey vom elfundzehn Verlag versprach in seiner Einführung dem Publikum einen unterhaltsamen Abend, eine Fülle von Anekdotischem und Zeitgeschichtlichem, Interessantes aus den 1950er, 60er und 70er Jahren. Doch das Buch der heute 85-Jährigen ist nicht nur lustig. Im Gespräch mit der Journalistin Madeleine Hirsiger erklärt sie: «Ich habe mir Gedanken gemacht, warum ich da bin. Es muss doch einen Sinn haben. Und es war niemand da, mit dem ich darüber hätte reden mögen. Ich kam mir vor wie die letzte Überlebende.» Deshalb fing sie an zu schreiben. «Die Energie dafür wuchs aus der Hoffnung, dass durch die Verarbeitung der Vergangenheit noch etwas Zukunft für mich entsteht.»

Aus Steckborn in die Welt

Yvonne Escher ist in Steckborn aufgewachsen. Die Kindheit sei super gewesen, doch mit dem Beginn der Schulzeit wuchsen die Probleme. Die Eltern liessen sich scheiden, die kleine Yvonne wurde wegen dieser Schande und ihrer Legasthenie von den Lehrern missachtet und von den Kindern gehänselt. «Erst als meine Mutter wieder heiratete und ich als junge Frau das Motorrad meines Stiefvaters mitbenutzen durfte, gewann ich wieder Selbstbewusstsein», erzählt sie. «Das hat mich gerettet.» Nach der Handelsschule geht sie an die Schauspielschule. In einem Café in Genf wird sie schliesslich von einem Jungregisseur entdeckt.  „Die Schweizer Bankgesellschaft hatte mich für die Dreharbeiten noch beurlaubt, aber letztlich war der Film doch das Ende meiner Bankkarriere: Sie haben mich entlassen.» Mit ihrem neuen Freund geht sie nach Rom und wächst dort langsam aus der Position als Schauspielerin vor der Kamera in die Aufgaben hinter der Kamera hinein. Ein Redakteur beim Zweiten Deutschen Fernsehen hat sie dann ermutigt, eigenverantwortlich Filme zu drehen. So begann die Karriere der Regisseurin.

Video: Ausschnitt aus der Lesung von Yvonne Escher

Der Heimat ein Denkmal gesetzt

Nach mehr als 25 teils turbulenten Jahren in Paris, Rom und Berlin kehrte Escher Ende der siebziger Jahre zurück nach Steckborn. «Ich wollte endlich irgendwo daheim sein», so die Künstlerin im Rückblick. Sie sei zwar durch die Arbeit beim Film und ihre Freunde immer in der mondänen Welt dabei gewesen, habe sich vom zum Teil verschwenderischen Luxus aber abgestossen gefühlt. «Ich bin eben anders erzogen.» 1982 gründete sie mit «Bodensee-Film» ihre eigene Produktionsfirma. Über zwanzig Filme hat sie gedreht, auch für das deutsche und schweizerische Fernsehen. Steckborn und seine Umgebung kamen immer wieder mal vor: Unter anderem in «Der See und seine Fischer», «Rebzeiten», «Eine kleine Stadt» oder der Installation «700 Köpfe» zur 700-Jahr Feier der Stadtgründung Steckborns.  Madeleine Hirsiger attestiert ihr dabei viel Poesie und jeweils viel Sympathie für ihre Protagonisten. Escher begründet das mit eigenen Erfahrungen: «Ich bin selbst immer Aussenseiterin gewesen. Ich habe einfach nie der Norm entsprochen. Deshalb habe ich wohl einen Blick für die Aussenseiter in der Gesellschaft entwickelt. Die sind einfach interessanter.“

«Ich bin doch keine Schriftstellerin.»

Yvonne Escher, Filmemacherin, über ihren Debütroman

18 Monate hat Yvonne Escher an ihrem Buch geschrieben. Mit 80 hatte sie angefangen, eigentlich für sich allein. Doch ihr Steuerberater Stefan Bünter erzählte Verleger Hansrudolf Frey von dem Projekt und machte die beiden miteinander bekannt. Frey wollte die Geschichte gerne veröffentlichen: «Yvonne Escher hat gefährlich gelebt», sagt er als Begründung. «Das hat mich elektrisiert.» Viele fühlten sich berufen, ihre Autobiographie zu schreiben, doch nur wenige nähmen sich dann als Autor so zurück, dass für die Leser eine wertstiftende Lektüre entstehe. «Ich habe das Angebot zu veröffentlichen anfangs gar nicht ernst genommen», beschreibt Escher ihre Sicht. «Ich bin doch keine Schriftstellerin - und Fehler mache ich auch immer noch. Die Legasthenie ist ja nicht weg.» Doch inzwischen ist sie froh, dass sie sich durchgerungen hat. Ein Buch in der Hand sei einfach ein gutes Gefühl, sagt sie, auch wenn der Film ihre eigentliche Domäne bleibt. 

«Diese Freiheit nehm ich mir. Aufzeichnungen einer selbstbestimmten Frau», von Yvonne Escher, 280 Seiten, 36 CHF. ISBN: 978-3-905769-53-1Der Druck wurde gefördert vom Lotteriefond des Kantons Thurgau, dem Jubiläumsfond der TKB Weinfelden, der Stadt Steckborn und der Stadt Frauenfeld.

Nach der Lesung signierte Yvonne Escher auch noch einige Exemplare ihres autobiografischen Romans. Bild: Inka Grabowsky
Verleger Hansrudolf Frey fand den Stoff elektrisierend. Bild: Inka Grabowsky

 

 



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