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von Jeremias Heppeler, 23.06.2022

Die Festival-Hauptstadt der Schweiz

Die Festival-Hauptstadt der Schweiz
Endlich wieder was los auf der Grossen Allmend! Am 29. Juni kommt Metallica und ab 6. Juli der grosse Hip-Hop-Zirkus mit zahlreichen Stars.. | © Markus Mallaun

Erst Rock-Giganten wie Metallica, dann Hip-Hop-Grössen wie A$AP Rocky und Haftbefehl – Frauenfeld wird ab 29. Juni zur Musik-Weltstadt. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

Wir wollen gar nicht in eine längere Geschichtsstunde abgleiten, deshalb im Schnelldurchlauf: Rund 20 Jahre ist her, dass zuletzt ein grosses Rockfestival in Frauenfeld stattgefunden hat. Damals besiegelte ein Konzert der Rolling Stones die über Jahrzehnte gewachsene Tradition der Riffs und Solos, die Veranstalter verkalkulierten sich grausig, ein Wiederbelebungsversuch in den darauffolgenden Jahren erbrachten nicht die ersehnte Erholung.

So brauchte es schon eine gehörige Frischzellenkur um den Festivalstandort Frauenfeld wieder zu beleben und der erfolgte durch einen Genrewechsel: Ab 2004 verschob sich der Schwerpunkt von Rock in Richtung HipHop und das Openair Frauenfeld schrieb eine Erfolgsgeschichte sondergleichen.

Video: Open Air Frauenfeld 1993 vs. 2019

Konsequenter Wandel

Ausverkaufte Festivals wohin das Auge reicht, das Prädikat „Europas grösstes HipHop-Festival” in Stein gemeisselt, legendäre Shows von Superstars wie Eminem, Jay-Z oder Outkast. Wäre das Openair Frauenfeld ein Kalenderspruch, dann wohl „Höher, schneller, weiter!”

In seinen vergangenen beiden Ausgaben 2018 und 2019 unterzog sich das Frauenfeld dann einem konsequenten Wandel und setzte verstärkt auf die neuen Generationen an (T)rap-Musikern und so brauchte es schon eine globale Krise um den Festival-Giganten irgendwie im Zaum zu halten.

Video: Das bislang letzte Open Air Frauenfeld lief 2019

Die Pandemie und Grossfestivals

Schnell war klar: Festivals, vor allem in der Grösse, sind in einer pandemischen Lage unmöglich durchführbar. Zu gross die Massen, die aufeinandertreffen, schlicht unmöglich jeder Versuch die entsprechenden Massnahmen umzusetzen. Und dennoch scharten die Frauenfeld-Macher mit den Booking-Hufen. Mit dem „Frauenfeldli” wurde gar ein Corona-konformes Ersatzfestival erschaffen, das praktisch Last-Minute abgesagt werden musste. Bitter! Und doch wurde klar: In Frauenfeld sehnt man sich nach der Rückkehr der unbeschwerten Festivalsommer.

Und so nimmt es nicht Wunder, dass die Frauenfelder First Event AG ausgerechnet im Sommer nach den beiden von Corona zerfressenen Jahren (Achtung Anmerkung: Die Pandemie ist auch jetzt noch nicht vorbei!) ein weiteres Festival auf der Grossen Allmend installiert. Es ist die Rückkehr zu den Wurzeln, Out In The Green presents Frauenfeld Rocks.

Video: David Bowie beim Out in the Green 1997

Voll-in-die-Fresse-Rock

Das Credo ist klar: Zusätzlich zum eine Woche später stattfindenden Openair Frauenfeld (dazu natürlich später mehr) findet in Frauenfeld ein eintägiges Rockfestival statt. Während sich das Openair Frauenfeld ja längst zum regelrechten HipHop-Erlebnis-Erlebnispark transformierte, wird das Out in The Green-Revival wohl in einem klassischeren Rahmen stattfinden: Eine Bühne, sechs Bands und voll in die Fresse.

Dabei tun die Festival-Organisatoren das wohl einzig richtige und setzen im Wiederaufstehungsjahr auf einen Headliner, der sich gewaschen hat: Metallica! Viel grösser geht's nicht! Tatsächlich zeigte sich im vergangenen Jahrzehnt, dass sich Festivals vor allem auch durch grosse Headliner-Namen ausverkaufen. Ein Festival, das wie das Out Of The Green mehrere Zehntausend Besucher erwartet, muss automatisch Mainstream-Nerven kitzeln, es geht nicht anders.

Video: Metallica live

Hinter Metallica kommt nicht viel

Die Metallica-Buchung hat wohl definitiv dazu geführt, dass die restlichen fünfs Bands im Lineup ziemlich deutlich abfallen und es schon ein wenig an einem starken Mittelfeld fehlt. Die schwedischen Dauerbrennern Sabaton und dem aus Las Vegas stammenden Quintett Five Finger Death Punch, die den Metal-Allstars die Bühne bereiten werden, sind sicherlich ganz nett, aber bei weitem keine Volltreffer.

Das dürfte die Metalheads angesichts der Schweiz-exklusiven Metallica-Show anlässlich des 30-Jährigen Jubiläums des legendären „Black Albums” aber wenig stören.

Amerikanische Grössen und deutsche Stars

Eine etwas andere Philosophie wählen die Festivalmacher mit Blick auf das Openair. Dort fehlen (zumindest im Vergleich zu vergangenen Festivals) die ganz grossen Namen - dafür scheint die Festival-Spitze überaus breit aufgestellt: Mit J. Cole, Tyler The Creator, Megan Thee Stallion, A$AP Rocky und einigen weiteren Namen (Lil Uzi Vert, Lil Baby, Playboy Carti) wurde speziell der moderne amerikanische Markt überaus konsequent abgegrast.

Video: J. Cole Middle Child

Alle vier (!) Festivaltage bieten ein ungeheuer abwechslungsreiches Programm, bei dem die Deutschrap-Aufstellung ein wenig biederer daher kommt, als es schon der Fall war. Mit Sido, Rin Capital Bra, Shindy und vor allem Haftbefehl gibt sich aber durchaus eine illustre Runde des Who is Who des deutschsprachigen Sprechgesangs die Ehre auf der Grossen Allmend. Langweilig sollte es über das Frauenfeld hinweg zumindest nicht werden.

Immer noch zu wenig Frauen auf der Bühne

Abschliessend müssen wir noch über einen Punkt sprechen, den wir in der Vergangenheit viel zu oft aussen vor gelassen: Wie divers sind die Festivals aufgestellt?

HipHop und Metal erscheinen ja oft als grundlegend Männer-dominierte Genres, die nicht selten in Texten, Gestiken und überhaupt im System sexistische Tendenzen transportieren und reproduzieren. Umso wichtiger erscheint eine sauberes Bewusstsein dieser Um- und Misstände bei Festivals und entsprechende Repräsentationen auf den Bühnen. Leider sucht man danach vergebens im OITG-Lineup.

Mit Eluveitie hat gerade mal eine Band nicht-männliche Bandmitglieder - da besteht durchaus Nachbesserungsbedarf. Auch beim Frauenfeld ist die Quote nicht berühmt - insgesamt spielen etwas mehr als ein Dutzend Female Acts auf dem Festival.

Die Richtung stimmt

Und doch hat man das Gefühl, dass die Festivalmacher hier mindestens einen Schritt in die richtige Richtung machen und die gebuchten Acts in ihrer Range von Headliner-Kaliber (Megan Thee Stallion) bis hin zu Newcomer reichen (Soukey!).

Video: Megan Thee Stallion

Insgesamt kann sich Frauenfeld (das ja auch noch das fantastische Out in the Green Garden beheimatet) 2022 wohl getrost als Festival-Hauptstadt der Schweiz bezeichnen. Und das darf durchaus in Zukunft so bleiben - also: Hingehen!

 

Lust auf mehr Festival?

In unserem grossen Open-Air-Festival-Guide 2022 blicken wir auf die spannendsten Festivals in und um den Thurgau in diesem Sommer. Schaut mal vorbei!

 

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