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Die Grenzen der Radikalität

Die Grenzen der Radikalität
Kunst als Wirtschaftszweig? Für Künstler gibt es zwei Wege damit umzugehen. Beide sind nicht unbedingt einfach, wie Beispiele aus dem Thurgau zeigen | © Michael Lünstroth

Der Kunstmarkt ist übermächtig geworden. Für Künstler gibt es zwei Wege damit umzugehen. Beide sind nicht unbedingt einfach, wie Beispiele aus dem Thurgau zeigen

Von Michael Lünstroth

Zum Einstieg vielleicht ein paar Zahlen: 56,5 Milliarden Dollar wurden 2016 im Handel mit der Kunst umgesetzt.  Die drei teuersten Kunstwerke 2016 liessen sich die Käufer zwischen 81 und 63 Millionen Dollar kosten. Als da wären: Platz 1: Claude Monet, „Meule" von 1891. Versteigert bei Christie's New York am 16. November für 81,5 Millionen US-Dollar. Platz 2: Willem de Kooning, „Untitled XXV" von 1977. Versteigert bei Christie's New York am 15. November für 66,3 Millionen US-Dollar. Platz 3: Pablo Picasso, „Femme assise" von 1909. Versteigert bei Sotheby's London am 21. Juni für 63,5 Millionen US-Dollar. Alleine an diesen Ziffern mit den vielen Nullen hinten dran, kann man erkennen, dass der Kunstmarkt immer noch ziemlich irre ist.

Es gibt nun zwei Möglichkeiten als Künstler, damit umzugehen. Entweder man arrangiert sich irgendwie damit, dass die Kunst längst auch ein Wirtschaftszweig geworden ist und versucht, so gut es geht damit zu leben. Oder man zieht in die Verweigerung und meidet alles, was mit dem glitzernden Kunstbetrieb zu tun hat. Der im Thurgau lebende Künstler Daniel Gallmann hat sich für die letztere Variante entschieden. „Mich kann man nicht buchen und ich vergebe keine Aufträge“, sagt er und will damit seine Haltung veranschaulichen. Gallmann will unabhängig sein und autonom. Die Entwicklungen der modernen Kunstwelt sind ihm zuwider: „Die Kunst ist längst zum Dienstleister der Gesellschaft geworden und während überall allmählich eingesehen wird, dass es Grenzen des Wachstums gibt, versucht die Kunst immer weiter zu wachsen und sich neue Felder zu erobern. Das finde ich problematisch, weil am Ende alles nur noch Event ist“, sagt Gallmann.

Mit dieser radikalen Haltung ist Daniel Gallmann vielleicht eine der interessantesten Künstlerfiguren im Thurgau. Der zurückgezogen arbeitende Maler konzentriert sich seit Jahren auf zwei Motive: Eine Landschaftsdarstellung und ein Figurenensemble. Derzeit repräsentiert ein 210-teiliger Gemäldezyklus im Kunstmuseum Thurgau seine Verweigerungshaltung gegenüber einem Kunstbetrieb, der ständig nach Neuem giert. „Man muss die Leute von dem Gedanken entwöhnen, dass es immer wieder etwas Neues geben muss. Das passiert in der Wirtschaft ständig. Ich halte es für eine gefährliche Entwicklung, wenn die Kunst das so übernimmt“, sagt Gallmann. 

Ist der "Loop" eine Anbiederung an den Markt?

Hören konnte man all diese Sätze unlängst im Kunstmuseum Thurgau. Direktor Markus Landert hatte zum Gespräch über die Kunst zwischen Übersteigerung und Verweigerung gebeten. Bedauerlich wenige Menschen waren gekommen, dabei war es doch durchaus interessant, was sich Gallmann und sein Gegenüber Philipp Glatz vom Künstler-Duo Bildstein⎜Glatz zu sagen hatten. Bildstein⎜Glatz sind die Schöpfer des riesenhaften Loop vor den Toren der Kartause Ittingen und sie waren an diesem Abend auserkoren, diejenigen zu sein, die als Künstler weniger Berührungsängste mit so etwas wie einem Markt haben. Eine Rolle, mit der Philipp Glatz aber haderte, weil er sich selbst nie als solch einen „Dienstleister“ verstanden hatte.

Und so diskutierten Glatz und Gallmann darüber, wo jeder seine persönliche Grenze des Noch-Vertretbaren zieht (Glatz: pragmatisch; Gallmann: fundamentalistisch), ob Ironie eine Haltung in der Kunst sein kann (Glatz; ja; Gallmann: auf keinen Fall) und was Kreativität heute bedeutet (Glatz: Aufbauen und neu denken auf Grundlage der Kunstgeschichte); Gallmann: Kreativität ist schöpferische Zerstörung). Obwohl die Positionen so unterschiedlich waren, wurde es am Ende nicht das Streitgespräch als das es angekündigt war. Dazu waren die beiden Protagonisten wohl zu höflich, selbst die bisweilen pointiert-provokanten Fragen von Markus Landert brachten sie  kaum aus der Ruhe. Spannend war der Abend trotzdem. Vor allem auch deshalb, weil die Rolle der Museen in diesem ganzen Kunstzirkus nicht ausgespart blieb. Müssten sie sich dem Kunstmarkt mehr entziehen? Sollten sie weniger auf Besucherzahlen schielen und sich mehr darum kümmern, Dinge zu zeigen, die sonst keinen Anwalt haben? Es wurde deutlich, dass die Museen weltweit in ihrem Ringen um Zukunftsfähigkeit und dem Wunsch vielen widersprechenden Erwartungen gerecht zu werden oder gerecht werden zu müssen vor einer Mammutaufgabe stehen. Sie pendeln zwischen den Extremen Vergnügungspark und Bildungsanstalt hin und her und müssen ihre Rolle im 21. Jahrhundert wohl erst noch finden.

Eine Erkenntnis: Ganz ohne Widersprüche geht es nicht

Bei aller Sympathie für den radikalen Ansatz von Daniel Gallmann zeigen sich doch aber auch hier schnell Uneindeutigkeiten. Zum Beispiel: Wäre es nicht noch konsequenter bei der Haltung auch auf Ausstellungen in einem Betrieb wie einem Kunstmuseum zu verzichten? Warum sucht er dann da doch die Öffentlichkeit? Was bedeutete es für die Kunst insgesamt, wenn sich alle Künstler derart verweigerten? Und ist Gallmanns Plädoyer für den autonomen Künstler letztlich nicht auch ein Plädoyer für den Hobbykünstler? Denn: Wer kann es sich noch leisten professioneller Künstler zu sein, wenn er davon nicht leben kann? „Ganz ohne Widersprüche geht es nicht“, sagt Daniel Gallmann dazu. Damit ist es in der Kunst wie im sonstigen Leben: Radikalität hat ihren Preis. Inkonsequent ist es nur ihn nicht vollumfänglich zu zahlen.

 

Bilder der Diskussion vom 26. Oktober 2017 im Kunstmuseum Thurgau

"Ironie als Haltung in der Kunst ist unzulässig": Daniel Gallmann bei einer Diskussion im Kunstmuseum Thurgau über das Künstlerbild in der modernen Gesellschaft"Ironie als Haltung in der Kunst ist unzulässig": Daniel Gallmann bei einer Diskussion im Kunstmuseum Thurgau über das Künstlerbild in der modernen Gesellschaft.

"Ironie ist für uns ein Mittel der Kunst": Philipp Glatz vom Künstler-Duo Bildstein⎜Glatz bei einer Diskussion über das Künstlerbild von heute im Kunstmuseum Thurgau"Ironie ist für uns ein Mittel der Kunst": Philipp Glatz vom Künstler-Duo Bildstein⎜Glatz bei einer Diskussion über das Künstlerbild von heute im Kunstmuseum Thurgau.

Zwischen Übersteigerung und Verweigerung: Unter diesem Titel diskutierten am 26. Oktober (von links): Markus Landert (Direktor Kunstmuseum Thurgau), Stefanie Hoch (Kuratorin Kunstmuseum Thurgau), Philipp Glatz (Künstler von Bildstein⎜Glatz) und Daniel Gallmann (Künstler).Zwischen Übersteigerung und Verweigerung: Unter diesem Titel diskutierten am 26. Oktober (von links): Markus Landert (Direktor Kunstmuseum Thurgau), Stefanie Hoch (Kuratorin Kunstmuseum Thurgau), Philipp Glatz (Künstler von Bildstein⎜Glatz) und Daniel Gallmann (Künstler). 

Detailansicht der Arbeit von Daniel Gallmann im Kunstmuseum ThurgauDetailansicht der Arbeit von Daniel Gallmann im Kunstmuseum Thurgau

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