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von Medienmitteilung, 06.09.2022

Sterben im Kino

Sterben im Kino
Sterben kann auch schön sein. | © Raphael Zürcher

Tod.Sein, ein Film des Laboratoriums für Artenschutz, läuft am 8. September ins Roxy Kino Romanshorn. Die "Nahfilmerfahrung im Zwischenreich" kann dort dann auf Kinosesseln durchlebt werden. (Lesedauer: ca. 2 Min.)

Eine unterschwellige Angst vor dem Tod und unseren allzu oft vergeblichen, manchmal auch verschrobenen Versuchen, diese Angst zu verdrängen, ist das Thema des Films von Micha Stuhlmann und Raphael Zürcher. "Häufig lenken wir uns mit lustvollen Dingen oder logisch erscheinenden Konzepten ab. Dabei gehen wir allzu oft dem kleinen geheimen Hoffnungsschimmer auf Unsterblichkeit auf den Leim, obwohl wir doch wissen: wir sind sterblich – und lebendig kommt hier keiner weg", sagt Regisseurin Micha Stuhlmann. Sie und ihre Kunst- und Gesellschaftsforschungsgruppe "Laboratorium für Artenschutz" plädieren dafür, die Vergänglichkeit zu feiern – in jedem Augenblick und dabei zu leben.

Die Handlung bildet  eine bunt gemischte Gruppe von Menschen im Alter zwischen 24 und 85 Jahren. Sie treffen an einem unbestimmten Ort zusammen. Bei einem festlichen Dinner an einer grossen Tafel, setzen sie sich mit den Themen Todsein, Leben und Sterben auseinander. Dabei kommen ganz unterschiedliche Ängste und Hoffnungen zutage. In Zwischesequenzen werden die Darstellenden in alltäglichen Tableaus und als Porträts – sprechend oder schweigend in die Kamera blickend, gezeigt. Während die Gespräche an der Festtafel zunehmend verworrener und chaotischer werden, führt uns die Bild- und Klangsprache immer tiefer in die verborgenen Abgründe unserer (Nicht)-Existenz.

Die Ensemblemitglieder setzen sich mit einem gut Organisierten Exodus auseinander
Die Ensemblemitglieder setzen sich mit einem gut organisierten Exodus auseinander. Filmstill: Raphael Zürcher

 

"Die bereits im Jahr 2018 begonnenen Tischgespräche greifen lange vor Corona fragwürdige Entwicklungen innerhalb gesellschaftlicher Wirklichkeiten auf", erklärt Regisseurin und Projektleiterin Micha Stuhlmann. "Was auf unsere Sterblichkeit verweisen könnte – Alter(n), körperliche, kognitive und psychische Beeinträchtigung – soll unsichtbar gehalten werden". Sich mit dem Tod und der Sterblichkeit auseinanderzusetzen sei in unserer Gesellschaft, die Leistung und Selbstoptimierung voraussetzt, äusserst unbeliebt. "Unsere kollektiven Gewohnheiten zeigen die geheimen Entwürfe und Vorstellungen von den idealen Verhältnissen von ewig jung, vital, erfolgreich – eine Kultur, jenseits der Sterblichkeit. Denn sie kränkt unseren narzisstischen Geist und sterben tun sowieso immer die anderen." Das Nachdenken über den Tod provoziere die Intensität des Lebens, sagt die Regisseurin Micha Stuhlmann.

"Ich bin überzeugt, dass nur über den Respekt vor der Vielfalt an menschlichem Ausdruck, eine gesellschaftlich relevante und innovative Kunst entsteht"

Micha Stuhlmann

Die Regie zu Tod.Sein führte die in Kreuzlingen lebende Künstlerin Micha Stuhlmann gemeinsam mit dem Filmemacher Raphael Zürcher aus Winterthur. Schon bei früheren Projekten arbeitete die beiden zusammen. Dieses Mal allerdings erstmals auf gleichberechtigter Eben. "Das war auch ganz schön schwierig", gibt Stuhlmann zu. Filmregie und "ihre Art von Regie" könne sich ergänzen, erweitern aber auch super herausfordernd sein. "Filmregie ist sehr strukturiert und geplant. Ich selbst arbeite aus dem Moment heraus. Das war mal bereichern, mal sehr herausfordernd."

Das Ergebnis dieser ästhetischen und trotz der vermeintlichen Schwere des Themas doch immer wieder sehr witzigen und kuriosen Arbeit, zeigt das Roxy am 8. Septmeber um 19.30 Uhr. Vier Ensemblemitglieder leben in Romanshorn. Der Filmabend im Kino Roxy wird somit ein kleines "Heimspiel". Der Film Tod.Sein wird eingerahmt von persönlichen Begegnungen und Gesprächen mit Protagonist:innen, Regisseurin und Filmemacher.

"Wir widmen uns den Barrieren unseres Denkens und Fühlens." Mit den Arbeiten des Laboratoriums möchte Stuhlmann den Ursachen auf den Grund: Warum schliessen wir aus, entwerten, tabuisieren, trotz aller Bemühung um die Einhaltung von Menschenrecht und Menschenwürde. "Ich bin überzeugt, dass nur über den Respekt vor der Vielfalt an menschlichem Ausdruck, eine gesellschaftlich relevante und innovative Kunst entsteht. Kunst hat für mich u.a. die Aufgabe gesellschaftliche Entwicklungen als Seismograph aufzuspüren, freizulegen und zu vermitteln. Wir alle wollen unsere persönlichen Frei- und Spielräume weiten, wollen uns sinnhaft und selbstwirksam erleben und dabei im Kontakt und Dialog stehen."

Menschliche Artenvielfalt fördern

Das Kunstprojekt "Laboratorium für Artenschutz" ist ein Langzeitprojekt und wurde 2012 von Micha Stuhlmann ins Leben gerufen. Einzelne Bühnen- und Filmprojekte reihen sich aneinander und bilden einen roten Faden: Das Laboratorium für Artenschutz versteht sich als Experimentier- und Forschungsfeld zwischen Alltag und Kunst, Leben und Inszenierung, zwischen Dasein und Bühne mit dem Ziel, die Artenvielfalt des Menschseins zu erhalten, bzw. zu verbessern.

Das Ensemble besteht aktuell aus 11 Menschen zwischen 25 und 85 Jahren, mit und ohne Beeinträchtigung. Alle kommen aus sehr verschiedenen Lebenszusammenhängen und stehend stellvertretend für die vielen Gruppierungen unserer Gesellschaft.

Die Unterschiedlichkeit der Menschen bringt ein breites Angebot an Gedanken, Fragen, Neigungen und Talenten mit sich. So unterschiedlich wie ihr Denken und Erleben, ist die Art, wie sie sich selbst erforschen und sich mitteilen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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