von Inka Grabowsky, 20.03.2018
Crashkurs in Sachen zeitgenössischer Tanz
Beim Festival Tanz:now im Phönix-Theater Steckborn zeigen Profis aus der ganzen Schweiz Spielarten des zeitgenössischen Tanzes. Parallel dazu laufen Workshops in einigen Schulen im Umland.
Von Inka Grabowsky
Rund ein Dutzend Schülerinnen aus den vierten Klassen hat sich am Morgen in der Aula der Pädagogischen Maturitätsschule Kreuzlingen eingefunden. Schon die Aufwärmübung vor ihrer speziellen Tanzstunde ist ungewöhnlich: Sie stehen im Kreis und werfen sich mit Gesten und Lauten jeweils ein „Zwisch“ oder ein „Kabumm“ zu. Schnell merken sie: Nonverbale Kommunikation kann lustig sein, erfordert aber auch einiges an Konzentration. Auch die folgenden Übungen haben es in sich. Zur Musik sollen die jungen Frauen aufeinander zulaufen, sich begegnen und voneinander weglaufen. Mal berühren sie sich, mal weichen sie aus. Richtig schwierig wird es dann, als sie paarweise „Baum und Koalabär“ spielen. Ein Mädchen bildet ein Klettergerüst, das andere windet sich im Takt zur Musik um es herum und versucht das Gleichgewicht zu halten. Manch ein Koala erliegt der Schwerkraft, manch ein Baum bricht zusammen. Während sich die Tänzerinnen verbiegen, wird viel gelacht – lächerlich macht sich jedoch niemand.
Ausprobieren weckt Interesse
Seit acht Jahren organisiert die Bewegungspädagogin Daniela Schmid aus Frauenfeld im Auftrag der Kulturstiftung des Kantons Thurgau die Workshops, die bei Schülerinnen und Schülern Verständnis für die Kunstform Tanz wecken sollen. Für den Kurs an der PMS hat sie Mirjam Bührer als Leiterin gewonnen. Die Tänzerin und diplomierte Kunst-Vermittlerin, die im vergangenen Sommer schon einmal den Freikurs Tanz an der PMS angeboten hatte, hat sich gezielt vorbereitet. „Es geht ja darum zu vermitteln, was später auf der Bühne von den Profis gezeigt wird. Also habe ich ein Video von Ioanis Mandafounis Stück ‚Sing the positions’ studiert.“ Die Lehrerin leitet die Schülerinnen an, ähnliche Bewegungen zu machen und ähnliche Posen einzunehmen wie sie später der Tänzer auf der Bühne machen wird. Die jungen Leute sollen am einen Leib spüren, was sie mit ihrem Körper ausdrücken können. Schliesslich üben sogar, ebenso wie der berühmte Choreograph, jede ihrer Bewegungen mit dem passenden Laut zu untermalen – eben ihre Position zu singen. „Ioanis Mandafounis will damit die Verbindung zwischen Tönen und Bewegung verstärken“, erklärt Daniela Schmid ihnen.
Video: So proben die Schülerinnen in Kreuzlingen
Zum Workshop eingeladen hatte die Lehrerin Manuela Eichenlaub, die ihren Schülern und Schülerinnen im Ergänzungsfach Musik nicht nur Oper und Konzertbesuche näherbringen will. „Tanz kommt im Schulalltag weniger vor“, sagt sie. Seit fünf Jahren nehme sie das Angebot immer wieder gerne war. „Die Workshops sind grossartig. Ich habe schon ein paar Mal erlebt, wie der Funke übersprang. Sogar als letztes Jahr eine klassische Balletttänzerin die jungen Leute streng zusammengestaucht hat, gab es hinterher begeisterte Rückmeldungen.“ Auch dieses Mal sind die Mädchen zufrieden. „Es war interessant“, sagt Eveline (21) hinterher, „ich hatte befürchtet, es würde mehr Wahrnehmungsspielchen geben.“ „Anfangs hat es Überwindung gekostet“, räumt die 19-jährige Oriana ein. „Aber dann war es vor allem lehrreich und beeindruckend.“ Sogar ganz lustig sei es gewesen, ergänzt Dorothea (19). Nach den hundert Minuten Crashkurs in zeitgenössischem Tanz jedenfalls haben alle Teilnehmerin eine genaue Vorstellung davon, wie komplex und auch wie anstrengend eine Vorstellung bei tanz:now für die Künstler ist.
Weiterlesen:
Mehr zum kompletten Programm des Festivals "tanz:now" gibt es hier: https://www.thurgaukultur.ch/magazin/3491
Alle weiteren Termine des Festivals finden Sie hier
Weitere Bilder (alle von Inka Grabowsky) vom Workshop in Kreuzlingen:
Von Inka Grabowsky
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