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Es lebe die «Republik»

Es lebe die «Republik»
Die "Republik" ist da: Thurgaukultur.ch-Redaktionsleiter Michael Lünstroth hat sich die erste Ausgabe des neuen Online-Magazins genauer angeschaut. | © Thurgaukultur.ch

Diese Woche erlebte den lange ersehnten Start des Online-Magazins «Republik» von Constantin Seibt und Christof Moser. Was steht drin? Und rechtfertigt das den Hype? Eine Annäherung

Von Michael Lünstroth

Eigentlich mag man den ollen Hermann Hesse mit seinem „Stufen“-Gedicht ja nicht mehr hören. Zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit wird er als Anwalt für Aufbruch und Neuanfang herangezogen: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne/Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“ Jaja. Trotz dieses bedrückenden Stufen-Überdrusses müssen auch wir an dieser Stelle auf den Dichter, der sich ja auch in der Schweiz sehr heimisch fühlte, zurückgekommen. Denn: Diese Wochen trägt einen ganz besonderen Neunanfang in sich. Wie viel Zauber in ihm steckt, wird sich allerdings erst noch weisen müssen. 

Einen spektakulären Neuanfang legte die Mannschaft des neuen Online-Magazins „Republik“ hin. Das Team um Constantin Seibt und Christof Moser hielt es nicht länger im Dunkeln aus und ging einen Tag früher an den Start als geplant. Jetzt ist sie also ausgerufen diese neue Republik, die ja nicht weniger will als mindestens die Medienlandschaft in der Schweiz zu verändern. Qualitätsjournalismus soll wieder zu einem Geschäftsmodell werden. Die Erwartungen an das Start-up-Projekt sind irrsinnig hoch, zum Teil auch selbst geschürt durch die Gründer. Constantin Seibt, ohnehin keiner für das Klein-Klein, hatte die Ansprüche selbst immer wieder nach oben geschraubt mit Ansagen wie diesen hier: Er selbst wolle mit seiner „Guerillatruppe besseren Journalismus bieten als die stehenden Heere der jetzigen Publizistik" und die „Republik" soll eine „Arche Noah für den Journalismus" werden. Nun denn. 

Der Atem stockt nicht, aber ist sehr guter Journalismus

Man muss nicht gleich so hochgreifen, aber die erster Ausgabe der Republik sieht sehr, sehr ordentlich aus. Inhaltlich gibt es zwar nichts, dass einem den Atem stocken lässt, auch die Formate sind eher konventionell als innovativ, aber das sind allesamt sehr gut geschriebene, tief recherchierte und lesenswerte Geschichten zu einem breiten Themenspektrum von No Billag, über ein Porträt eines Priesters, den Staatsanwälte für einen Menschenhändler halten, eine Geschichte über Aufstieg und Fehler von Facebook, ein Hintergrund zur deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel bis zu einem Interview mit der Kognitionswissenschaftlerin Elisabeth Wehling über die Manipulationskraft der Sprache. Wer das alles lesen will, hat zwei Optionen - entweder das volle Jahres-Abo für 240 Franken kaufen oder ein Monats-Abo für 22 Franken erwerben. 

Optisch kommt die Seite angenehm unaufgeregt daher. Keine um sich greifende Werbung, die die Inhalte verdeckt, wie mittlerweile bei so vielen anderen Nachrichtenseiten. Das tut den teilweise sehr, sehr langen Texten gut, weil man sich auf sie konzentrieren kann, ohne irgendein Werbe-Geblinke mühsam ignorieren zu müssen. Die Typografie kommt magazinig daher, luftig, locker, nicht zu gedrängt. Auch das hilft dabei, die grossen Textmengen angenehm lesen zu können. Fotografien und Illustrationen werden wohldosiert eingesetzt. Der erste Eindruck: man schaut sich gerne auf der Seite um. 

Technische Probleme beim Start

Technisch gab es in den ersten Stunden offenbar ein paar Probleme, einige Leser beklagten sich im Forum jedenfalls über die Anmeldemodalitäten. Etwas enttäuschend ist zudem, dass es noch keine eigene App zur Seite gibt, statt dessen steht aber eine mobile Seite bereit, auf der man die langen Textriemen aber auch gut lesen kann. 

Der Anfang ist gemacht, in den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob die Republik dem Hype um sie gerecht werden kann und sie wirklich nachhaltig bestehen kann im Wettbewerb. Als Journalist kann man dem Projekt nur grösstmöglichen Erfolg wünschen. Denn: Setzt sich das Modell durch, dann wäre das nach sehr, sehr langer Zeit mit vielen, vielen Abgesängen auf den Beruf endlich mal wieder eine gute Nachricht für die Zukunft und das Geschäftsmodell Journalismus. 

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