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von Inka Grabowsky, 18.01.2017

Wie die Boote sich ändern

Wie die Boote sich ändern
Dem Bootsbau auf der Spur: Museumsleiterin Ursula Steinhauser und Fotografin Kerstin Schulze | © Inka Grabowsky

Die Fotografin Kerstin Schulze hat über drei Jahre in zwei Werften verfolgt, wie ein 45er Kreuzer entsteht. Einmal wurde das Segelboot neu gebaut, einmal wurde ein hundertjähriges Schiff restauriert. Jetzt sind ihre Fotos im Kreuzlinger Seemuseum zu sehen

Von Inka Grabowsky

Am Anfang stand Kerstin Schulzes Begeisterung für klassische Segelboote. Sie selbst hat einen „Fireball" aus dem Jahr 1972, den sie gemeinsam mit ihrem Mann selbst restauriert hat und einen 20er Jollenkreuzer, der seit den zwanziger Jahren gebaut wird. Als sie im Rahmen eines Fotokurses nach einem Reportageprojekt suchte, musste ihre Wahl logischerweise auf den Bootsbau fallen. Ihre Arbeit begann 2013 auf der Martin-Werft in Radolfzell, wo ein 45er Kreuzer neu gebaut werden sollte. „Das neue Schiff hat die Nummer P249", erklärt die Seglerin. „Das bedeutet, es ist das 249. Exemplar dieses Bootstyps." Fast gleichzeitig arbeitete in Altnau die Züst Werft an der Restauration eines 45er Kreuzers mit der Nummer „P3", des dritten Boots, das je gebaut wurde. Das Schiff mit dem Baujahr 1912 musste von Grund auf überholt werden. „Für mich war das ein absoluter Glücksfall", so die Fotografin. „Dass so dicht nebeneinander zwei Schiffe der gleichen Bauart entstehen, ermöglichte mir interessante Vergleiche der Bootsbauerarbeit damals und heute."

Zwei baugleiche Boote entstehen in komplett anderen Zeiten

Kerstin Schulze hat ihren eigenen Blick auf das Handwerk entwickelt. „Mir ging es vor allem um die Menschen, die das Boot bauen. Da ist viel Geduld und Leidenschaft zu spüren." Die Arbeiten, die erledigt werden müssen, haben sich nach Erkenntnissen von Schulze im Laufe der hundert Jahre kaum verändert. Nur die Abläufe seien anders – und natürlich die Anforderungen der Eigner. Das neue Boot, das 2015 zu Wasser gelassen wurde, verfügt über modernen Komfort. Dementsprechend habe der Innenausbau viel Zeit in Anspruch genommen. Das hundertjährige Boot ist puristischer. Hier war die Herausforderung der Bootsbauer, es zunächst bis zum Rumpf zurückzubauen, um es danach sorgfältig wieder zusammenzusetzen. „Pläne gab es nicht mehr", so Kerstin Schulze. „Geholfen hat aber der Umstand, dass einer der Restauratoren in Altnau zuvor am Neubau in Radolfzell beteiligt war."

Für die Künstlerin selbst erwiesen sich die Arbeitsbedingungen als Herausforderung. „In einer Werft ist es eng, staubig, dunkel – das sind nicht die einfachsten Bedingungen, um zu fotografieren." Mit Hilfe eines Aufsatzblitzes und von Diffusoren habe sie versucht, die Bewegungen sichtbar zu machen. Mehrere tausend Bilder sind so über die Jahre entstanden. 64 davon hängen nun in der Sonderausstellung im Seemuseum.

Spiegeleffekt: Der Dachstuhl des Museums und der Rumpf eines Bootes scheinen sich zu spiegeln. Bild: Inka Grabowsky

„Bootsbau hautnah" ist der Titel der Schau, und er bezieht sich nicht nur darauf, dass die Fotografin in den vergangenen drei Jahren die Arbeiten an den Schiffen aus nächster Nähe beobachtet hat. „Wenn eine zusätzliche Hand gebraucht wurde, habe ich auch mal zugepackt" erzählt sie. Im obersten Stock des Seemuseums geht es ebenfalls um Bootsbau zum Anfassen. Ingo Schulze, der Mann der Fotografin, baut nämlich in seiner Freizeit seinen eigenen Solo-Kanadier. Das halbfertige Boot steht in der Ausstellung. Die Besucher können dabei zusehen, wie es langsam vollendet wird.

Öffentliche Unterstützung durch Bodenseekonferenz

Als organisatorischer Glücksfall erwies sich die geografische Lage der beiden Werften in der Schweiz und in Deutschland. Die Internationale Bodenseekonferenz unterstützt grenzüberschreitende Projekte finanziell. Das Budget der Ausstellung im Seemuseum von 18 000 Franken konnte rund zur Hälfte durch Förderbeiträge aufgebracht werden. „Normalerweise brauchen wir ein Jahr Vorlauf, um eine Sonderausstellung auf die Beine zu stellen", sagt Museumleiterin Ursula Steinhauser „Dieses Mal haben wir es innerhalb von vier Monaten geschafft." Die Motivation aller Beteiligten habe geholfen, den grossen Effort zu leisten. Nur eines ist nicht ganz fertig geworden: Im Rahmen ihres Fotoprojekts hat Kerstin Schulze so viele Informationen zu den 45er Kreuzern zusammengetragen, dass sie daraus ein Buch gemacht hat. Ein Exemplar davon liegt in der Ausstellung aus, kaufen kann man es aber noch nicht. „Ich suche noch einen Verlag, der es veröffentlicht", meint die Autorin.

Wichtige Termine der Ausstellung im Überblick

Ausstellungseröffnung „Bootsbau hautnah. Handwerk, Kraft und Leidenschaft" mit Wolfgang Beck, Präsident der 45er Klassenvereinigung, und Josef Martin, Bootsbauer und Inhaber von Martin Yachten. Mittwoch, 25. Januar 19 Uhr.

Die Ausstellung ist vom 26.1. bis 28. 6. mittwochs, samstags und sonntags jeweils von 14 – 17 Uhr zu sehen.

Öffentliche Führung mit der Fotografin Kerstin Schulze: Sonntag, 23. April, 11 Uhr

Finissage mit Frank Palm, dem Eigner der „Gaudeamus" und Bootsbauer Stefan Züst am Mittwoch, 28. Juni um 19 Uhr.

 

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